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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Grausige Tierfunde beim Zoll Die "Kammer des Schreckens" am Münchner Flughafen

Konservierte Schlangen, ein Bärenkopf, eine Löwin – immer wieder macht der Zoll am Flughafen spektakuläre Funde. Diese landen in der "Kammer des Schreckens".
Hinter einer unscheinbaren grauen Tür in einem Gebäude des Frachtterminals befindet sie sich – die "Kammer des Schreckens". So zumindest nennt Thomas Meister, Pressesprecher des Hauptzollamts München, die Asservatenkammer für Tierfunde am Flughafen der bayerischen Landeshauptstadt.
Und tatsächlich, er hat nicht zu viel versprochen. Als Meister die mehrfach gesicherte Tür öffnet und das Licht anknipst, blickt man direkt in das Antlitz eines Braunbären. Ein im ersten Moment erschreckender Anblick. Aber bei weitem nicht der spektakulärste. Denn bei dem Bären handelt es sich in – Anführungszeichen – nur um einen Kopf mit Fell. Im Gegensatz zu der Löwin und dem Geparden, die komplett ausgestopft im Raum stehen.
Zoll-Sprecher zeigt seinen persönlich grausigsten Fund
Darüber hinaus scheint es in der Asservatenkammer nichts zu geben, was es nicht gibt: in Reisschnaps konservierte Kobras, Vögel aller Art, Schildkröten und Krokodile, Totenköpfe von Affen, die Säge eines Sägerochens oder Korallen und Muscheln. Hinzu kommen unzählige aus Tieren weiterverarbeitete Produkte. Pelze sowie Jacken und Schuhe aus Krokodil- oder Schlangenhaut sind dabei noch die gewöhnlichsten.
So zählen unter anderem auch einen Gürtel mit Schlangenkopf, eine Handtasche mit Krokodilschädel, Kosmetik- und Medizin aus Tier- und Pflanzenextrakten, Waffen und Instrumente oder eine Afrika-Landkarte aus gefärbter Elefantenhaut zum Fundus. Meisters persönlich grausigster Fund ist aber eine Schildkröte mit Aschenbecher im Panzer. "Das ist schon extrem makaber", sagt er.
Zuletzt entdeckten Zöllner erst im April am Münchner Flughafen das Gebiss eines Makohais im Gepäck eines Reisenden aus Südafrika. Wie bei allen Besitzern solcher sichergestellten Stücke wurde auch in diesem Fall ein Verfahren eingeleitet. Grundlage dafür ist das Washingtoner Artenschutzübereinkommen. Über die Strafe entscheidet dann entweder das Gericht oder das Bundesamt für Naturschutz.
Vorsicht bei Muscheln, Korallen und Federn
In den meisten Fällen gibt es für Schmuggel eine Geldstrafe, bei gewerbsmäßigem Schmuggel drohen aber auch Freiheitsstrafen. Entscheidend für das Strafmaß sind neben der Art des geschmuggelten Gegenstands auch andere Faktoren. Zum Beispiel, ob die Person schon einmal aufgefallen oder sogar vorbestraft ist. Und: Ob die Produkte oder Gegenstände explizit im Gepäck versteckt wurden.
Denn nicht selten kommt es vor, dass sich Reisende gar nicht bewusst sind, dass sie schmuggeln. Insbesondere bei Souvenirs aus dem Meer – wie zum Beispiel Muscheln oder Korallen. Meister rät daher dazu, die Finger von Fundstücken am Strand zu lassen. Zumindest außerhalb von Europa. "Wenn man am Mittelmeer etwas sammelt, hat man keine Probleme", erklärt er: "Anders sieht es aber zum Beispiel in der Karibik aus." Teilweise gebe es in den einzelnen Ländern auch nationale Regelungen, welche die Ausfuhr untersagen.
Das Washingtoner Artenschutzübereinkommen ...
... ist ein Übereinkommen zum internationalen Handel mit gefährdeten Arten frei lebender Tiere und Pflanzen zum Schutz vor übermäßiger Ausbeutung. Es wurde im Jahr 1973 angesichts des dramatischen Rückgangs vieler Arten durch Wilderei und internationalen Handel geschlossen. Deutschland gehörte zu den ersten Unterzeichnern. International trat das Washingtoner Artenschutzeinkommen 1975 in Kraft, inzwischen gehören ihm weltweit 184 Vertragsparteien an – also knapp 95 Prozent aller Staaten. Es umfasst derzeit etwa 6.610 Tier- und 34.310 Pflanzenarten.
Das zentrale Prinzip des Abkommens ist das Vorsorgeprinzip. Es erlaubt den internationalen Handel mit Tieren, Pflanzen oder deren Produkten nur, wenn dieser die jeweilige Art nicht gefährdet. Dabei bezieht sich der Begriff "Handel" ausschließlich auf grenzüberschreitende Vorgänge, also auf Importe und Exporte – nicht auf den Handel innerhalb eines Landes. Für bereits vom Aussterben bedrohte Arten ist der Handel grundsätzlich verboten.
Selbst Federn von exotischen Vögeln wie Papageien sollte man im Urlaub besser liegen lassen. Denn auch wenn das Tier diese einfach verloren hat – der Zöllner bei der Einreise am Flughafen kann das nicht mehr nachprüfen. "Wenn ein Tier geschützt ist, dann von A bis Z", sagt Pressesprecher Meister. Sprich beim Papagei vom Schnabel bis zur Schwanzfeder.
Lebender Alligator in Koffer gefunden
Doch nicht nur aus Tieren gefertigte Produkte oder tote und ausgestopfte Exemplare ziehen die Zöllner am Münchner Flughafen aus dem Verkehr. Immer wieder machen die Beamten auch Lebendfunde. "Der spektakulärste war der weiße Alligator", erzählt Meister. Dieser wurde im September 2022 im Gepäck eines Reisenden entdeckt. Eingewickelt in Frischhaltefolie wollte ein Mann das seltene Albino-Tier nach Asien schmuggeln.
Die Rechnung hatte der 42-Jährige dabei offenbar ohne die Röntgengeräte in der Gepäckförderanlage gemacht. Das Reptil kam in eine Auffangstation, gegen den Geschäftsmann wurde ein Verfahren eingeleitet. Neben den Röntgenscannern setzt der Zoll am Flughafen auch auf zwei Artenschutzspürhunde und stichprobenartige Kontrollen einzelner Passagiere. Jeden Flug und jeden Reisenden können die Beamten dabei aber natürlich nicht unter die Lupe nehmen. Das sei politisch auch gar nicht gewollt, erklärt Meister.
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Stattdessen arbeite man "risikoorientiert". Das heißt: Bei einem Flug aus Amerika wird beispielsweise nach anderen Dingen geschaut als bei Verbindungen, die aus Afrika oder Asien kommen. Auch Alleinreisende mit verdächtig vielen Gepäckstücken würden das Interesse der Beamten wecken. "Da schauen wir natürlich eher nach", sagt Meister. Denn: "Der Zöllner ist von Haus aus neugierig."
Aufklärungsarbeit an Schulen und in Kindergärten
Während lebende Tiere an Auffangstationen oder zertifizierte Züchter übergeben werden, landen die meisten anderen tierische Funde in der Asservatenkammer im Frachtterminal – zumindest die wertvollen. "Sonst würde unsere Asservatenkammer fünfmal so groß sein", sagt der Zoll-Pressesprecher. Der Rest geht in sogenannten Artenschutzkoffern als Dauerleihgabe an Schulen und Kindergärten.
In den Einrichtungen betreibt der Zoll viel Aufklärungsarbeit, damit die Kinder schon von klein auf den Umgang mit der Natur lernen. Dabei habe sich schon mehrfach gezeigt, dass Kinder teilweise besser aufgeklärt seien als Erwachsene. Um nicht versehentlich zum Tierschmuggler zu werden, hat Meister daher einen grundlegenden Tipp für alle Reisenden – egal ob jung oder alt. "Sammeln Sie Eindrücke statt Andenken."
- Reporter vor Ort
- Pressemitteilung des Hauptzollamts München vom 13.10.2022
- bfn.de: "CITES"
- bmuv.de: "Washingtoner Artenschutzübereinkommen / CITES"